Das zentrale Thema: „Führung mit Haltung – oder trotz Haltung?“ ist eine brennende Frage, die Führungskräfte insbesondere im Klinikalltag immer wieder vor Herausforderungen stellt. Welche Rolle spielen hierbei persönliche Werte und Überzeugungen? Am 4. April 2025 durfte ich im Rahmen des zweitägigen Seminars „Management im Krankenhaus“ auf Einladung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) in Kassel vor Chefärztinnen und Chefärzten sowie leitenden Oberärzten sprechen und mit ihnen diskutieren (siehe auch LinkedIn). Ich danke an dieser Stelle stellvertretend der Präsidentin, Prof. Dr. Ursula Felderhoff-Müser, und Prof. Dr. med. Dominik Schneider, Mitglied des geschäftsführenden Vorstands und Sprecher des Konvents für fachliche Zusammenarbeit DGKJ sowie Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Dortmund.
Führung mit Haltung: Authentizität und Orientierung
Im Führungskontext bedeutet „Haltung“ eine klare Wertebasis, nach der Führungskräfte handeln und entscheiden. Authentizität, Prinzipientreue und Transparenz bilden hier den Schlüssel zum Vertrauen des Teams. Mitarbeitende schätzen Führungskräfte, die feste Wertvorstellungen offen kommunizieren und danach konsequent handeln. Führungskräfte mit Haltung strahlen Ruhe und Orientierung aus, gerade wenn es schwierig wird. Doch Vorsicht: Wird Haltung zu rigide, kippt sie schnell in Unflexibilität und Ideologie.
Ambivalenz und Flexibilität als Führungsaufgabe
Es gibt Situationen, in denen Ihre Haltung zur Hürde wird. Ein harmoniebewusster Chefarzt, der Konflikte meidet, verschleppt möglicherweise wichtige Entscheidungen. Oder eine perfektionistische Chefärztin delegiert nicht, weil niemand ihren Standard erreicht. Hier heißt es „trotz Haltung führen“: bewusst gegen die eigene Komfortzone handeln, wenn die Situation es verlangt, und trotzdem die eigenen Werte nicht verraten.
Transformationale Führung: Motivation und Vision
Ein Schlüsselansatz moderner Führung ist immer noch die transformationale Führung. Dieser Führungsstil setzt auf Vision, Inspiration und persönliche Vorbildfunktion. Studien zeigen: Transformationale Führung fördert Zufriedenheit, Bindung und Motivation. Gerade im Gesundheitswesen mit komplexen Herausforderungen kann dieser Ansatz Teams dabei helfen, gemeinsam Veränderungen erfolgreich umzusetzen. Auch ökonomisch betrachtet wirkt der Führungsstil positiv und hat sich u.a. in Unternehmen bewährt, die mit Change-Herausforderungen zu tun haben.
Digital Leadership: Mensch und Technik im Einklang
Die Digitalisierung stellt Führungskräfte vor neue Herausforderungen. Digital Leadership bedeutet nicht nur, technologische Innovationen kompetent einzusetzen, sondern diese auch ethisch reflektiert in die Klinikorganisation zu integrieren. Führungskräfte sind hier gefragt, traditionelle Hierarchien zugunsten agiler, teamorientierter Zusammenarbeit aufzubrechen. Der Einsatz von KI und digitalen Tools verlangt neue Kompetenzen und ein verändertes Selbstverständnis: Weg vom klassischen Hierarchiedenken, hin zum „Mensch-Maschine-Teamwork“.
Herausforderungen meistern: Personalmangel, Bürokratie, wirtschaftlicher Druck
Der Klinikalltag ist geprägt von Personalmangel, Überlastung und Bürokratie. Laut Studien fühlen sich viele Klinikärzte häufig bis ständig überlastet. Führungskräfte müssen hier aktiv gegensteuern: Belastungen reduzieren, realistische Ziele setzen und sinnvolle Entlastung schaffen, um das Team vor Burnout zu schützen. Chefärztinnen und Chefärzte werden hier als “Puffer” und “Enabler” zugleich in ihrer Rolle gefragt.
Diskriminierungsfreie Personalpolitik: Haltung leben
Diskriminierungsfreiheit ist keine Option, sondern Pflicht. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und ethische Verpflichtungen verlangen von Führungskräften aktives Engagement für eine faire und vorurteilsfreie Führungskultur. Hier zeigt sich Haltung als Vorbildfunktion, die Vielfalt als Stärke erkennt und fördert. Die medizinische Profession basiert auf den Werten Menschlichkeit, Würde und Gerechtigkeit. Der Ärztliche Ethikkodex fordert die Wahrung der Menschenwürde jedes Patienten; übertragen auf Führung heißt das, die Würde jeder Mitarbeiterin und jedes Mitarbeiters zu achten. Eine Atmosphäre frei von Mobbing, Ausgrenzung oder Vorurteilen ist Teil der Fürsorgepflicht einer Führungskraft. Gerade in stressigen Kliniksettings besteht die Gefahr, dass unbewusste Bias oder Frustrationen sich in Ungleichbehandlung entladen – dem müssen wir aktiv entgegenwirken.
Krankenhaus zwischen Ethik und Ökonomie
Krankenhäuser sind hochkomplexe Organisationen und erfüllen eine doppelte Rolle: Sie sind Orte der Daseinsfürsorge und zugleich betriebswirtschaftliche Unternehmen. Führung mit Haltung bedeutet hier, Menschlichkeit und Patientenwohl stets an erster Stelle zu setzen, ohne ökonomische Realität aus dem Blick zu verlieren. Eine klare ethische Haltung schafft Vertrauen – sowohl im Team als auch bei den Patienten.
Vielfalt als Erfolgsfaktor: Die Bedeutung von Diversity
Die Vielfalt in Klinikteams nimmt stetig zu. Führungskräfte müssen sensibel sein für unterschiedliche Bedürfnisse hinsichtlich Geschlecht, Herkunft, Alter, Religion und Behinderung. Gelebte Diversity verbessert nicht nur die Teamleistung, sondern erhöht auch die Mitarbeiterbindung und Motivation.
Fazit: Elastische Geradlinigkeit – Ihr Schlüssel zum Erfolg
Führung mit Haltung bedeutet elastische Geradlinigkeit: eine Balance zwischen klaren Prinzipien und notwendiger Flexibilität. Reflektieren Sie regelmäßig Ihre Werte und holen Sie aktiv Feedback aus Ihrem Team ein. Bleiben Sie authentisch, aber reagieren Sie anpassungsfähig auf veränderte Anforderungen.
Diese Balance ist es, die moderne Führungskräfte im Klinikalltag benötigen, um erfolgreich, nachhaltig und mit Integrität zu führen.
Ich freue mich, wenn diese Impulse Sie inspirieren, Ihre persönliche Führungshaltung weiter zu entwickeln und in der Praxis erfolgreich einzusetzen.